Druck-Version

Druck-Version




Diskussionsbeitrag

Aufgespießt!

Eine Diskussion über Evolution in der Grundschule, Design und Kreationismus


Wort und Wissen

Im Zusammenhang mit der Frage, ob die Evolutionstheorie bereits in der Grundschule unterrichtet werden sollte, hat sich auf der Facebook-Seite der kreationistischen Studiengemeinschaft WORT & WISSEN zwischen Thomas WASCHKE und Timo ROLLER eine konfliktreiche Diskussion entwickelt.1) Mit über 45 Einträgen gibt sie in dieser Offenheit tiefe Einblicke in die Denkweise zu einer Evolution in einem naturalistischen Weltbild einerseits und der Infragestellung auf der Basis eines inkonsistenten Weltbildes andererseits.

Die beiden Diskutanten sind Thomas WASCHKE ("TW" im folgenden Text) sowie Timo ROLLER ("TR"). Im Mittelpunkt des Kommentars stehen unter Ausblendung der Ausgangsfrage die Standpunkte und Argumente, die signifikante Hinweise geben, warum es heftigen Streit gibt zwischen Anhängern und Gegnern der Evolutionstheorie.

TW, seines Zeichens Gymnasiallehrer im hessischen Dillenburg, Verfasser einiger Artikel über Kreationismus und bekennender Agnostiker bzw. Ignostiker, hat es auf den Punkt gebracht. TR wiederum ist ein in der "Science Community" unbekannter "Arche-Noah-Spezalist" und Buchautor zu biblischen Themen. Die Bibel legt er wortwörtlich aus. Er bezeichnet sich aus biblischer Perspektive als "Wissender" und vertritt den Anspruch, die Evolutionstheorie widerlegen zu können. Er hat jedoch weder überzeugende Argumente noch überprüfbare Belege vorzuweisen, sondern wartet mit teils irrealen Behauptungen auf. So musste TR in einem Interview immer wieder einräumen (und es wurde den Zusehern auch offenbar), dass er über die erdgeschichtlichen und wissenschaftlichen Sachverhalten, die er kritisiert, nicht im Bilde ist.2)

TW: "Auf der Basis eines inkonsistenten Weltbild das andere angreifen, obwohl doch sonnenklar ist, dass keine Widerlegung eines anderen Modells mehr als eine Bedingung der Möglichkeit, das eigene überhaupt zu vertreten. Es können auch beide Alternativen falsch sein. 'contrival dualism' war noch nie mehr als ein Diskussionstrick" - und an anderer Stelle: "Die Anomalien in Deinem Weltbild sind um Größenordnungen problematischer als die in meinem".

Beim aufmerksamen Lesen der Diskussionsbeiträge fällt auf, dass es in der Diskussion eine Bruchstelle gibt; die Diskussion wird zunehmend härter geführt und auch emotionaler, wahrscheinlich aus Enttäuschung über andere Vorstellungen vergangener interner Diskussionsrunden.

Zwei Textstellen sind hierzu aufschlussreich. TR: "Das ist es, was mich am meisten ärgert. Du tust als wären wir naiv und würden naturwissenschaftliche Erkenntnisse in den Wind schlagen, obwohl Du es aufgrund der Literatur und unzähligen Diskussionen besser wissen müsstest. Es wird bei W + W gründliche und seriöse Arbeit gemacht". Dann die entsprechende Entgegnung von TW: "Ich räume ein, dass Eure 'negative' Apologetik hochklassig und durch Sachverstand ausgezeichnet ist. Aber Eure 'positive' Apologetik bricht zusammen, wenn ihr die Standards, die ihr in der negativen verwendet, auf Euch selber anwendet. Das ist es, was mich am meisten ärgert. Wie gesagt, Intelligent Design ist kein Problem. Aber gekoppelt mit einer jungen Erde, Schöpfungswoche und Sintflut klappt es nicht."

Anzumerken ist, dass TW der von ihm so genannten "negativen Apologetik" zu viel Kredit einräumt, womit er der Sache nicht gerecht wird. Dass das Prädikat "hochklassig" in Bezug auf die Evolutionskritik von WORT & WISSEN verfehlt sein dürfte, lässt sich aus diversen Analysen erschließen (vgl. beispielsweise hier oder hier. Dass sich ihre Kritik wohltuend von jener anderer Kreationisten-Vereinigungen wie Answers in Genesis oder den Zeugen Jehovas abhebt, ist richtig, ändert aber nichts an dieser Einschätzung.

Positiv ist zu vermerken, dass im Streitgespräch weitgehend auf Polemik verzichtet wird. Das Streitgespräch soll vertiefend fortgeführt werden, vielleicht im Westerwald, wie TW vorschlägt. Der Rezensent hat aber seine Zweifel, ob neue Erkenntnisse dabei gewonnen werden: TR kann nicht flexibel sein. Er ist immer auf die Bibel als Vorgabe angewiesen. Er wird sein "Weltbild" nicht revidieren und in seiner "Echokammer" bzw. seinem "Tunnelblick" oder wie man es noch bezeichnen soll, verharren.

Einige Textstellen von TR zeigen dies deutlich. TR: "Wenn wir auf die Geschichte der Menschheit blicken, erkennen wir keine Höherentwicklung, keine Evolution! Der Mensch war von Beginn an klug, begabt, kreativ - ein wunderbares Geschöpf Gottes." Das deckt sich nicht einmal ansatzweise mit den Kenntnissen, welche die Kulturanthropologie bislang gewonnen hat. Oder an anderer Stelle: "Die sehr nahe Verwandtschaft, ja sogar Unterscheidbarkeit von Menschen und Affen (»... dass heute nicht mehr zwischen den Menschen und den (anderen) Menschenaffen unterschieden wird«) wird mit einem gemeinsamen Vorfahr begründet, der vor 6 Millionen Jahren gelebt haben soll. In Wirklichkeit wurden alle Kandidaten dieser angeblich gemeinsamen Ur- Ur- Ur - ...Großeltern von der Forschung aufgegeben oder sind zumindest höchst umstritten."3) Auch diese Aussage verzerrt die Fakten bis zur Unkenntlickeit.

TR glaubt ferner, dass sich auf der Arche Noah Saurier befunden haben, weil die Bibel von zwei Geschöpfen berichtet (Behemoth und Leviathan), die von TR als überlebende "Saurier" gedeutet werden. Damit hätten nach seiner Vorstellung Menschen und Saurier gemeinsam gelebt.4) Real ist jedoch, dass in der Kreidezeit, vor ca. 67 Millionen Jahren, die Saurier ausgestorben sind. Es konnten in der Zeit danach keinerlei Fossilien oder Fußabdrücke, die auf Saurier hindeuten, gefunden werden.

Thomas WASCHKE und der Rezensent haben sich ausführlich mit der "Sintflutproblematik" auseinandergesetzt.5),6),7),8).




Fußnoten

[1] Facebook WORT & WISSEN, 6. Juni 2016, ff., Sollte die Evolutionstheorie bereits in der Grundschule unterrichtet werden?

[6] Wolfgang JÄHNIG: Canada, o Canada! Richard Wiskins Dinosaurier. Ein Kommentar zu: "Waren auf der Arche auch Dinosaurier?". AG Evolutionsbiologie 20.10.2010.

[7] Wolfgang JÄHNIG: Wie kam der Koala-Bär zur Arche? AG Evolutionsbiologie, 19.12.2013.

[8] Wolfgang JÄHNIG: Kommentar: "Anmerkungen zu ´The rocks don´t lie (David R. Montgomery) und darüber hinaus", Homepage AG Evolutionsbiologie, 15.7.2013.

Autor: Wolfgang Jähnig

Copyright: AG Evolutionsbiologie