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Faktenwissen

     

Die Evolution der C4-Photosynthese 


Wie leicht abgewandelte C4-Wege fast 50 mal parallel entstehen konnten

In: BiuZ 6/2011, p. 362-363

     

Bildrechte: Kurt StüberDurch globale Umweltverschmutzung mit Sauerstoff veränderten die Pflanzen im Laufe einiger Millionen Jahre die Atmosphäre, der O2-Gehalt stieg und der CO2-Gehalt sank. Das machte es immer schwieriger für die Pflanzen, genügend hohe CO2-Konzentrationen für die Photosynthese zu finden. Insbesondere die so genannten C4-Pflanzen haben sich daran angepasst. 

Wie sie das fertig bringen, wird jetzt deutlicher. Pflanzen leben von der Umwandlung der Energie aus dem Sonnenlicht in chemische Energie. Dazu nehmen sie CO2 aus der Luft auf, synthetisieren Kohlenhydrate aus CO und geben O als O2 in die Luft ab. Auch wenn sie im Dunkeln von der umgekehrten chemischen Reaktion leben, bleibt die Vorwärts-Reaktion der Photosynthese doch eine Einbahnstraße. Einige Pflanzenfamilien erfanden neue Wege, um die CO2-Konzentration an den Orten der Photosynthese in den Blättern zu erhöhen: Sie entwickelten sich von C3- zu C4-Pflanzen. Der Name ist Programm: C3-Pflanzen binden das CO2 zuerst in einem Molekül mit drei Kohlenstoffatomen durch das häufigste Protein der Welt, die Ribulose-Bisphosphat-Carboxylase (Rubisco). Von diesen C3-Molekülen steht das frisch fixierte Kohlenstoffatom für alle weiteren Reaktionen wie die Synthese von Zucker bereit. Das Problem mit diesem Enzym, der Rubisco, ist seine Fähigkeit, diese Reaktion in beide Richtungen zu katalysieren.

 

  

Abb.: Blattquerschnitt von typischen C3- (links) und C4-Pflanzen (rechts). Bei den C3-Pflanzen findet die Fixierung von CO2 direkt in C3-Molekülen in den Zellen des Palisaden- und des Schwammparenchyms statt. In den C4-Pflanzen wird das CO2 in den Zellen des Mesophylls in C4-Molekülen zwischengespeichert, die dann in die angrenzenden Leitbündelscheidenzellen transportiert werden. Dort wird das CO2 in erhöhter Konzentration freigesetzt und dann erst in C3-Moleküle eingebaut. Bild links: www.biostudies.de. Bild rechts: www.uni-duesseldorf.de

 

Sinkt die Konzentration an freiem CO2 an dem Enzym, beschleunigt es die Freisetzung von CO2 aus dem gerade synthetisierten C3-Molekül. Daher benötigt die Rubisco eine gewisse Mindestkonzentration an CO2, um die Reaktion vom CO2 – zum C3-Molekül effektiv zu katalysieren. Die C4-Pflanzen schaffen dies, indem sie zuerst CO2 mit einem anderen Enzym in einem Molekül mit vier Kohlenstoffatomen einfangen, daher der Name. Diese Reaktion ist sehr viel effizienter in die Richtung des CO2-Einbaus, funktioniert also auch bei niedrigen CO2-Konzentrationen. Das frische C4-Molekül wird dann zu der Rubisco transportiert, dort wird CO2 wieder freigesetzt und so die Konzentration des CO2 an der Rubisco erhöht. Dieser biochemische C4-Umweg kostet etwas mehr Energie durch den Transport und den C4 Auf-und Abbau, der sich aber bei niedriger CO2-Konzentration lohnt. Die "alten" Pflanzen wie die Bäume und die meisten Pflanzen in den gemäßigten Breiten kommen bisher ohne diesen zusätzlichen C4-Weg aus, da sie in unseren kühleren Klimaten langsamer wachsen. Pflanzen in wärmeren Gegenden wie zum Beispiel der Mais mussten mit dem Problem fertig werden, dass zur Mittagszeit, wenn die Sonne auf das Feld scheint, die Photosynthese sehr effizient abläuft und kein Wind frisches CO2 zufächelt. Die CO2-Konzentration in der Mitte eines solchen Feldes sinkt rapide soweit ab, dass für normale Pflanzen keine Photosynthese mehr möglich ist. Diese Pflanzen wie der Mais mussten den C4-Weg erfinden. 

Die Entwicklung von leicht abgewandelten C4-Wegen hat fast fünfzigmal unabhängig parallel in verschiedenen Pflanzenlinien stattgefunden. Die Beobachtung, dass ein solcher Mechanismus so häufig mit einem vergleichbaren Ergebnis erfunden wurde, deutet an, dass nur wenige genetische Schalter für diese Veränderungen verantwortlich sein können. Diese sind bisher aber noch weitgehend unklar. 

Um die genetischen und biochemischen Hintergründe in der Funktion wie auch in der Evolution des C4-Photosynthese-(Um)Weges besser zu verstehen, haben nun zwei Laboratorien von der Universität Düsseldorf um Andreas Weber und Peter Westhoff eine besondere Pflanzengruppe analysiert, in der nahe verwandte Pflanzen entweder noch C3-Pflanzen sind, schon voll den C4-Weg etabliert haben oder scheinbar in der Evolution dazwischen stehen und nur einen Teil der Photosynthese über C4 und den anderen über C3 durchführen. Um Gene und Aktivitäten für den C4-Weg und insbesondere für die größtenteils noch wenig verstandenen Transportprozesse unter anderem der C4-Moleküle zu identifizieren, haben sie in einem globalen Ansatz die gesamten Populationen von messenger RNAs in den verschiedenen Typen von Pflanzen analysiert und miteinander verglichen. Die in den vergangenen Jahren entwickelten Sequenzierungstechniken erlauben jetzt, Millionen von Datenpunkten zu generieren, mit denen sich Unterschiede in einzelnen Genaktivitäten finden lassen. Möglich ist dies allerdings nur mit viel Fleiß und intelligenten Suchmaschinen, da ansonsten die Datenflut nicht zu überblicken ist. 

Die ersten Ergebnisse zeigen nun, dass bei der Evolution des C4-Weges mehrere parallele Mechanismen angeschaltet wurden, um eine bessere lokale Versorgung mit dem CO2 zu gewährleisten. Ferner konnten die Düsseldorfer in den C4-Pflanzen neue Transportproteine identifizieren, die an dem Stoffwechsel und Transport der C4-Moleküle von Zelle zu Zelle im Blatt beteiligt sind. Die feinen qualitativen Unterschiede in der Anzahl der Transportmoleküle konnten erst durch eine solche globale Analyse statistisch sicher identifiziert werden und ließen sich in direkten Einzeluntersuchungen nicht messen. 

Besonders bemerkenswert ist der Befund, dass die Gene für die CO2-Transporter, die für den C4-Umweg essenziell sind, bereits in den ursprünglichen C3-Pflanzen vorhanden sind. Damit liegt die Grundlage für diesen evolutionären Fortschritt nicht in der Erfindung neuer Gene und Proteine, sondern auf der Ebene der Regulation. Es wäre also nicht nötig, neue Gene in C3-Pflanzen einzubringen, um aus ihnen gentechnisch C4-Pflanzen zu machen – nur die Steuerung muss angepasst werden. Das ist allerdings deutlich komplizierter, als "bloß" ein Gen in eine Pflanze einzubauen. 

Ob allerdings die C4-Pflanzen gegenüber den C3-Pflanzen in Zukunft mit steigender CO2-Konzentration in der Luft aus den zivilisatorischen Abgasen des Menschen noch einen Vorteil haben werden, ist unklar. Vielleicht in ein paar Millionen Jahren, wenn die Pflanzen die Erde wieder übernommen haben.


   

Literatur 


(1) U. Gowik et al., Plant Cell 2011, 23, 2087.

   

   

Autor: Prof. Dr. Axel Brennicke, Universität Ulm

     

          

     

   

                       

           


© AG Evolutionsbiologie des VdBiol.          09.01.2012