Druck-Version
Kommentar
Canada, o Canada! Richard WISKINs Dinosaurier
Ein
Kommentar zu: "Waren auf der Arche Noah auch Dinosaurier?"
Am
3. Oktober 2010 hat das christliche Nachrichtenportal "idea.de"
folgenden Artikel in der Kategorie Bibel
& Wissenschaft
veröffentlicht: "Waren auf der Arche Noah auch
Dinosaurier?"
"Stuttgart
(idea) - An Bord der
Arche Noah waren auch Dinosaurier. Davon ist der kanadische Forscher
Richard WISKIN (Dürnten bei Zürich)
überzeugt, der ehrenamtlich für die evangelikale
Studiengemeinschaft "Wort und Wissen" (Baiersbronn) tätig ist
.... "
Es sind im Wesentlichen 3
Aspekte,
die nicht stimmen können:
1.) Richard WISKIN ist auch
nach
eigenen Angaben kein Forscher, sondern Bildungsreferent seit 1982. Er
wurde 1942 in Toronto geboren und war in Kanada als Lehrer für
Geographie, Geschichte und Biologie (7./8.Klasse) tätig. Nach
einem 3-jährigen "Fortbildungsstudium" am
Prärie-Bibelinstitut und 12-jähriger Missions-,
Gemeinde- und Jugendarbeit in Indien und Europa als Missionar der
Schweizerischen
Missions-Gemeinschaft (SMG) ist sein
gegenwärtiges Domizil das Zürcher Oberland.
2.) Die Bibel beschreibt ein
Tier
"Behemot", dessen "Schwanz sich wie eine Zeder streckt ... seine
Gebeine sind wie eiserne Stäbe" (Buch Hiob, Kapitel 40, Vers
15). Anhand dieser wenigen Angaben der Bibel und
Drachenerzählungen, die weltweit bekannt sind, deutet WISKIN,
dass es sich bei "Behemot" um einen Dinosaurier, genauer um Iguanodon,
eine Dinosaurierart, gehandelt haben könnte, obwohl es
keinerlei Hinweise gibt, dass Dinosaurier nach dem Aussterben in der
Kreidezeit vor 65 Millionen Jahren noch existiert haben
könnten. Vollkommen abwegig ist, dass WISKIN auch Dinosaurier
in der biblischen Arche vermutet, zumal er die biblische Sintflut nach
der "Biblischen Chronologie" auf 2300 v. Chr. beziffert. (1)
3.) Für WISKIN sind
Zeitangaben in der Bibel von großer Bedeutung, und als
evangelikaler Christ gilt für ihn die biblische Sintflut als
historisches Ereignis. Gesetzt den Fall, um 2300 v. Chr. hätte
tatsächlich eine erdumfassende Sintflut stattgefunden, dann
würden alle folgenden historisch belegten Daten nicht mehr
stimmen.
Zum Beleg sei hier das Buch
von WISKIN selbst (1) angeführt. Im Anhang B wird im Kapitel
"Die
Teilung der Erde" folgendes angegeben:
"Zur
Zeit Pelegs, der
fünften Generation nach Noah wurde die "Erde zerteilt" (1 Mose
10,25: 1 Chron. 1,19). Diese Bemerkung stößt bei
bibelorientierten Wissenschaftlern auf besonderes Interesse. Denn hier
könnte eine biblische Andeutung auf ein Auseinanderbrechen der
Kontinente vorliegen."
Nach einer kurzen Betrachtung
der
Theorie der Plattentektonik des Geophysikers und Meteorologen Alfred
WEGENER aus dem Jahre 1912 geht es weiter im Text wie folgt:
"Es
wäre zweifellos
aufregend, wenn dieser geologisch gut begründete (aber nicht
restlos bewiesene) Vorgang in der biblischen Urgeschichte mit der
Erwähnung der Teilung der Erde zur Zeit Pelegs einen
Niederschlag gefunden hätte. Diese Auslegung würde
zudem recht gut in ein nachflutliches Szenario passen. Denn es ist in
diesem Rahmen geradezu zu fordern, dass das Auseinanderbrechen der
Kontinente erst einige Jahrzehnte bis Jahrhunderte nach der Sintflut
begann oder nach der Flut zumindest vorerst noch nicht allzu weit
fortgeschritten war, da sich sonst kaum die in der Arche geretteten
Tiere so auf die Kontinente hätten ausbreiten können,
wie man sie heute antrifft." (2)
Bei dem zitierten Autor im
Anhang
B handelt es sich übrigens um Dr. Reinhard JUNKER, und hier
wird ein Auslegungsdilemma evident. Ein Auseinanderbrechen des
Urkontinents Pangäa in einem Zeitraum ab dem von WISKIN
angegebenen Sintflutdatum hätte in einer Geschwindigkeit
erfolgen müssen, die geologisch unmöglich ist, wenn
die heutige Verteilung der Kontinente zugrunde gelegt wird. WEGENERs
Vorstellungen der Kontinentalverschiebung sind längst
überholt. Geologen sprechen heutzutage von plattentektonischen
Vorgängen.
Gesicherte Erkenntnis ist,
dass
die Erdoberfläche aus acht bis zwölf großen
Platten und rund 20 kleineren Platten besteht. (3) Die Bewegung der
Platten ist messbar und gegenwärtig im Millimeterbereich pro
Jahr nachweisbar. Würde man JUNKERs bzw. WISKINs Vorstellungen
eines Sintflutdatums um 2300 v. Chr. folgen, hätte ein
Auseinanderdriften allein von nur einem Kilometer pro Jahr gewaltige
Erdbeben, verheerende Vulkanausbrüche und unvorstellbare
Tsunamis zur Folge, die ein Überleben der Mensch- und Tierwelt
unmöglicht gemacht hätten.
Noch weitere
Unmöglichkeiten zeichnen sich ab, wenn das von WISKIN
angegebene Sintflutdatum stimmen würde: Wie soll es
möglich gewesen sein, dass eine infolge der Sintflut auf 8
Menschen dezimierte Erdbevölkerung innerhalb von nur 70 Jahren
eine ganze Stadt, einschließlich eines so monumentalen
Bauwerks wie den Turm zu Babel, errichten konnte? Ungeachtet der
inzestuösen Verhältnisse, die auf lange Sicht ein
Überleben der Menschheit ernsthaft in Frage gestellt
hätten, hätte die Reproduktionsrate des Menschen das
biologisch mögliche Maß wenigstens hundertfach
übersteigen müssen. Wie hätten Noahs
Nachkommen innerhalb kurzer Zeit überhaupt das Knowhow und die
logistischen Mittel zum Bau eines so gewaltigen Turmes erlangen
sollen?
WISKINs Szenario
führt
ins logische Abseits, wenn man es durchdenkt, wie überhaupt
die ganze Geister- und Wunderwelt des Alten und Neuen Testaments, an
die wörtlich zu glauben er sein Zielpublikum
überreden möchte. Wenn er das allen Ernstes zur
Haltung des christlichen Glaubens erklärt, macht er, um ein
Bonmot des Theologen Rudolf BULTMANN zu bemühen, die
christliche Verkündigung in der Gegenwart nicht nur
unverständlich, sondern unmöglich. Dass aus dieser
Verschränkung von Pseudowissenschaft und Wunderglaube
schwerlich etwas anderes resultieren kann, als barer Unsinn, muss nicht
weiter erörtert werden. Es sei nur angedeutet, dass sich auch
die zeitlichen Vorstellungen WISKINs mit den tatsächlichen
historischen Belegen überlappen. Z.B. gibt es gesicherte
Erkenntnisse einer Staatenbildung um 2000 v. Chr. (Assyrien,
Babylonien). Zudem sind im 5. Jahrtausend v. Chr. (Uruk) und ca. 4000
v. Chr. (Ur) historische Staatenbildungsprozesse belegbar.
Als Fazit ergibt sich, dass
WISKINs Sintflutdatum bzw. JUNKERs Vorstellungen - um es vorsichtig
auszudrücken - nicht stimmig sind. Der Autor des vorliegenden
Kommentars hat diese Probleme den Verfassern WISKIN und JUNKER
vorgetragen. WISKIN verweigert eine Diskussion mit der
Begründung, wir würden im Bibelverständnis
weit auseinander liegen, und führt zudem berufliche
Überlastung an. JUNKER will das Sintflutdatum offen halten.
Das steht im Widerspruch zu seinen Veröffentlichungen, und es
ist schon merkwürdig, dass JUNKER genau wissen will, wie viele
Tiere sich auf der Arche befunden haben, (4) andererseits einer
zeitlichen Einordnung der Sintflut Beliebigkeit zubilligt.
____________________________________________
Fußnoten
(1) Richard WISKIN: Die Bibel und das Alter der Erde, Hänssler
1996, 4. Auflage 2003. - Die erste Auflage erschien unter dem Titel
"Das biblische Alter der Erde".
(2) a.a.O., S. 70.
(3) Bill BRYSON: Eine kurze Geschichte von allem, Taschenbuchausgabe
Oktober 2005, 17. Auflage, S. 234 - Die Originalausgabe erschien 2003
unter dem Titel "A Short History of Nearly Everything" bei Broadway
Books, New York.
(4) Fred HARTMANN/Reinhard JUNKER: Passten alle Tiere in die Arche
Noah? Wort+Wissen-Diskussionsbeitrag 4/90
Autor:
Wolfgang Jähnig
© AG Evolutionsbiologie des VdBiol.
20.10.2010