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Zwei
Kommentare
Der Kreationismus auf den Spuren der ersten
Landwirbeltiere
Eine
Antwort auf den Kommentar: "Frühe fossile
Fährten rangieren Übergangsformen aus"
Der
Geschäftsführer der Studiengemeinschaft Wort und
Wissen (W+W), Reinhard JUNKER, kommentiert für die kreationistische
Internet-Plattform Gensisnet den Aufsehen erregenden Fund von
Fußabdrücken tetrapoder Tiere (Vierbeiner) in ca.
395 Millonen Jahre alten Gesteinsschichten des Devons (NIEDZWIEDZKI et
al. 2010). Der in Polen gemachte Fund gehört in den
Zusammenhang des Übergangs der Wirbeltiere zum Landleben. Er
lässt diesen evt. in einem neuen Licht erscheinen, was den
Zeitrahmen angeht, da die Spuren ca. 18 Millionen Jahre älter
sind als die ursprünglichsten, fossil bekannten Tetrapoden
(die amphibische Form Ichthyostega,
die wasserlebende Form Acanthostega
u.a.). Ja, er ist selbst noch 10 Millionen Jahre älter als die
Fossilien von fischartigen Vorläufern wie die
urtümlichen Quastenflosser Panderichthys und Eustenopteron,
und die möglicherweise von Panderichthys ähnlichen
Fischen abstammende Gattung Tiktaalik.
JUNKER deutet den Fund dieser
Spuren unter dem Titel "Frühe fossile Fährten
rangieren Übergangsformen aus" als Argument gegen die
Evolution überhaupt: "Die fossilen Fußspuren aus
Polen passen in mehrerer Hinsicht nicht zur bisher etablierten Sicht
der Evolution der Tetrapoden."
Von einer "etablierten Sicht der
Evolution der Tetrapoden" in dem Sinn, dass der Forschung vollkommen
klar gewesen wäre, wann und wo bestimmte Fischgruppen zum
amphibischen Leben und danach zum Landleben übergingen und wie
die detaillierten
Abstammungsverhältnisse untereinander sind,
kann jedoch weder vor noch nach dem polnischen Fund die Rede sein. Es
gab und gibt eine Reihe von ähnlichen und miteinander
verwandten Hypothesen, die aufgrund der Spurenfunde neu zu bedenken
sind. JUNKER deutet diesen Fortschritt zum Problem um, indem er es zur
scheinbar
entscheidenden Frage macht, ob die zeitliche Abfolge der
bekannten Fossilien - einschließlich der neu entdeckten
Spuren - sich mit einem linearen
Abstammungsverhältnis deckt.
Das ist offensichtlich nicht der Fall, denn vom Bauplan her
lässt sich zwar Ichthyostega
gut von Tiktaalik
ableiten und
dieser von Panderichthys
- und daran hat sich nichts geändert!
Aber die Spuren, die aus paläontologischer Sicht wiederum gut
zu Ichthyostega
passen würden, sind älter. Allerdings
hält es auch niemand für sinnvoll oder gar
für entscheidend, in den fossilen Funden eine zeitlich
stimmige Abstammungsfolge
zu sehen, am wenigsten die Entdecker der
Spuren selbst.
Der Mitautor Per AHLBERG befasste
sich auf Anfrage der
AG EvoBio (1) mit JUNKERs Artikel und kommentierte diesen wie folgt
(2):
"Im
Kern beruht ihr (gemeint ist Wort und Wissen; H.H.) Argument auf der Voraussetzung, dass
'Zwischenformen' gleichbedeutend sind mit einer (linearen)
Kette aus Vorfahren und Nachkommen. Das ist Unsinn, weil a) der Baum
des Lebendigen reichhaltig verzweigt und keine einfache Linie ist, so
dass ursprünglichere und abgeleitetere Formen häufig
über lange Zeiträume nebeneinander
überleben, und weil wir b) nur eine sehr dürftige
fossile Auswahl all der Tiere haben, die je gelebt haben (vielleicht
ungefähr 5%, es ist schwer, Sicheres zu sagen). Wenn man diese
beiden Punkte zusammen nimmt, ist leicht zu erkennen, dass sehr
bruchstückhafte Befunde aus einem reich verzweigten Baum
häufig dazu führen werden, dass der früheste
bekannte Vertreter eines unteren Zweiges jünger ist als der
früheste bekannte Vertreter eines oberen Zweiges, das ist
einfach ein statistischer Zufall. Genau das passiert gerade. Deshalb
konstruieren wir Stammbäume auf der Grundlage gemeinsamer
Merkmale, niemals auf der Grundlage des Alters von Fossilien. Ihr
Argument wäre richtig wenn Paläontologen beansprucht
hätten, Eustenopteron
und Tiktaalik
wären direkte
Vorfahren der Tetrapoden. Aber das haben wir nicht behauptet, und sie
sind es auch nicht."
Dem ist nicht viel
hinzuzufügen. JUNKERs Fehleinschätzung
bezüglich der notwendigen Beschaffenheit evolutionär
relevanter Fossilien ist, wie so oft, seinem anachronistischen
Evolutionsverständnis geschuldet. Die Paläontologie
betrachtet (Übergangs-) Formen wie Tiktaalik und Ichthyostega
eben als Modell-Organismen
für die Tetrapoden-Evolution und
keineswegs als Vertreter einer rein anagenetischen, linear verlaufenden
Übergangsserie (vgl. NEUKAMM 2009, Kap. V.2.4.). Mehr gibt der
Fossilbefund nicht her, wie AHLBERG schlüssig
begründet, aber eben auch nicht weniger. Und obwohl die
Fußspuren aus Polen gut zu Ichthyostega passen, wäre
es vermutlich kühn, sie direkt
mit ihm oder ähnlich
fortgeschrittenen Formen zu identifizieren, solange es keine
Körperfossilien gibt. Weitere Funde sind abzuwarten.
JUNKERs Kritik ist umso mehr
unverständlich, als - wie
aufgrund der Evolutionstheorie nicht anders zu erwarten ist - auch
heute noch Formen existieren, die sich seit Urzeiten, seit ihrer
Abspaltung vom gemeinsamen Vorfahren (mit anderen Taxa), kaum
verändert haben: die sog "lebenden Fossilien". Warum sollten
die Quastenflosser denn auch aussterben, wenn sie eine stabile
ökologische Nische gefunden hatten? Weil andere Fische
"moderner" geworden sind? Sollten die Amphibien aussterben, weil sich
aus ihnen drei "modernere" Wirbeltierklassen entwickelt haben? So
funktioniert Evolution nicht, und so kann sie auch nicht funktionieren
(s. BEYER 2007).
Immerhin ist anzumerken, dass
JUNKER in diesem Fall nicht nur
kritisiert, sondern eine alternative Erklärung des
Fossilbefunds vorschlägt, nämlich eine
"ökologische Deutung der Fossilien des Devons" im Rahmen eines
Kurzzeit-Szenarios, anstatt in einem Jahrmillionen-Zeitraum. Er
führt diese Hypothese aber nicht aus. Deshalb kann man nur
festhalten, dass aus seiner persönlichen
Sicht ein Erdalter
von rund 10.000 Jahren, in dem es ein enges räumliches
Nebeneinander und rasches zeitliches Nacheinander der fossil bekanten
Formen gab, einen besseren Hypothesenrahmen liefert als die
Paläontologie. Darauf lohnt es sich kaum einzugehen, denn eine
naturwissenschaftliche Hypothese muss nicht nur in sich zirkel- und
widerspruchsfrei sein - das sei JUNKER zugestanden. Sie muss auch
Erklärungskraft haben, extern konsistent sein, und sie muss
der empirischen Nachprüfung standhalten. Aber wie steht es mit
der externen Konsistenz angesichts des gesamten, bekannten
Fossilbestands, der in einige tausend Jahre zu pressen und dessen
Stratigraphie zu erklären ist? Wie konsistent ist das
"ökologische Kurzzeit-Szenario" mit Geologie und Physik? Wie
schneidet es bei prüfbaren Vorhersagen ab? Die Antworten kann
man sich selbst geben. Oder man rezipiert eine der
vielfältigen Arbeiten zu diesem Thema, die W+W beharrlich
ignoriert.
Literatur
BEYER, A. (2007): Was ist Wahrheit? Oder wie Kreationisten Fakten
wahrnehmen und wiedergeben. In: Kutschera, U. (Hg.) Kreationismus in
Deutschland. Lit Verlag, Münster, 109-115.
NEUKAMM, M. (2009, Hg.) Evolution im Fadenkreuz des Kreationismus.
Darwins religiöse Gegner und ihre Argumentation. Vandenhoeck
& Ruprecht, Göttingen.
NIEDZWIEDZKI, G.; SZREK, P.; NARKIEWICZ, K.; NARKIEWICZ, M.;
AHLBERG,
P.E. (2010): Tetrapod trackways from the early Middle Devonian period
of Poland. Nature 463(7277), 43-48.
Volltext:
www.nature.com/nature/journal/v463/n7277/full/nature08623.html
____________________________________________
Fußnoten
(1) Pers. Mitteilung von P.E. AHLBERG an Martin NEUKAMM (eMail vom
18.01.2010).
(2) Per AHLBERG wörtlich: "Essentially, their argument rests
on
the premise that 'intermediate forms' mean 'ancestor-descendant
chains'. This is nonsense, because a) the tree of life is profusely
branched, not a single line, with more primitive and more derived forms
frequently surviving alongside each other for long periods, and b) we
have only a very poor fossil sample (perhaps 5% or so, it is hard to be
sure) of all the animals that ever lived. If you put those two things
together you can easily see that a very spotty sample of a
much-branched tree frequently will result in the earliest known
representative of a deep branch being younger than the earliest known
representative of a higher branch: it's just a statistical accident.
And that's exactly what's happened now. This is why we construct family
trees on the basis of shared characteristics, never on basis of the
ages of the fossils. Their argument would be true if palaeontologists
had been claiming that Eusthenopteron
and Tiktaalik
were direct
ANCESTORS of tetrapods, but we haven't and they aren't!"
Autor:
Hansjörg Hemminger
Tetrapodenspuren oder die Metamorphose der
Frösche: ein Vergleich
Wie wir sehen, ist ein
evolutionsbiologisches Problem - insbesondere ein
abstammungsgeschichtliches - nicht leicht zu verstehen und nicht leicht
zu erklären. Stellen wir uns also zur Verdeutlichung folgende
Situation vor: Über die Entwicklung der Frösche vom
Laich bis zum erwachsenen Tier tobt ein Streit zwischen
Metamorphinisten und Metamorphosekritikern (letztere leugnen die
Metamorphose Laich -> Kaulquappe -> Frosch vehement ab:
Bei all diesen Formen handele es sich um unterschiedliche und jeweils
unveränderliche Lebensformen!).
Und nun passiert folgendes:
Man sendet zur Frühjahrszeit eine Schar von Hobbyfotografen
aus, am besten in klimatisch unterschiedliche Gegenden, mit dem
Auftrag, von verschiedenen Froscharten sowohl die Kaulquappen als auch
die kleinen, daraus entstandenen Frösche zu fotografieren.
Selbstverständlich verwenden die Hobbyfotografen moderne
Digitalkameras mit Datumseinblendung; Zeit und Ort der Aufnahme sind
allerdings mehr oder weniger zufällig. Am Ende ist
glücklich eine Kollektion von Aufnahmen der Kaulquappen und
Jungfrösche verschiedener Spezies und unterschiedlichster
Stadien zusammengebracht. Diese nun gerät in die
Hände eines Metamorphosekritikers, der mit schärfstem
Blick sogleich erkennt, dass bei einer Reihe von Spezies die Aufnahmen,
welche die Kaulquappen zeigen, jüngeren Datums sind als
diejenigen, welche die Frösche zeigen. Das gilt auch
für verschiedene Zwischenstadien der Froschentwicklung, von
der die verblendeten Metamorphinisten behaupten, sie stünden
in einer einzigen, durchgehenden, zeitlichen Abfolge. Hier nun zeigt
sich klar und unwiderleglich das Gegenteil: die Frösche
können vor den Kaulquappen da sein, und können also
nur direkt ins Dasein gesprungen oder gesprungen worden sein oder
irgendwie direkt und unverändert voneinander abstammen -
jedenfalls nicht so, wie die Metamorphinisten behaupten.
Sogleich macht sich der
metamorphosekritische Ranakreatiologe daran, eine solide,
methodologisch bestens abgesicherte wissenschaftliche Abhandlung zu
diesem Thema zu publizieren, eine bündige Widerlegung: das
Metamorphosemodell kann keine reale organismische
Entwicklungsmöglichkeit beschreiben!
Autor:
Rudolf Jörres
© AG
Evolutionsbiologie des VdBiol.
01.02.2010