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Neues aus
der Forschung
De-novo-Evolution: Aus Junk-DNA werden neue
Gene
Wissenschaftler
entdecken de-novo-Gen,
das aus einem funktionslosen DNA-Abschnitt entstand
Lange
Zeit herrschte bei Evolutionsbiologen die Meinung vor, dass neue Gene
hauptsächlich entstehen, indem DNA-Sequenzen, die bereits
genetische Informationen tragen, neu kombiniert werden. Die
Wissenschaftler nahmen an, dass diese Neuentstehung durch Duplikation
relativ rasch vonstatten gehe. Jetzt hat jedoch eine Forschergruppe um
Diethard TAUTZ vom Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie
in Plön etwas völlig Neues entdeckt: ein neues Gen in
Mäusen, das aus einem zuvor funktionslosen DNA-Abschnitt
(Junk-DNA) in einem längeren Zufallsprozess entstanden ist. Es
gelang den Plöner Forschern durch Vergleiche mit anderen
Spezies, die Geburtsstunde des Gens auf die Zeit vor 2,5 bis 3,5
Millionen Jahren zu datieren. Das evolutionsgeschichtlich sehr junge
Gen wurde im Chromosom Nr. 10 der Maus entdeckt. Dass ein Gen an einer
bislang funktionslosen Stelle der DNA entstehen kann, wurde zwar auf
der Basis von Genomvergleichen bei verschiedenen Drosophila Arten
postuliert. Den Plöner Wissenschaftlern ist nun aber erstmals
der Nachweis über die Abfolge der notwendigen Mutationen eines
dieser Gene gelungen (Current
Biology, 15. September 2009).
"Unser neu entdecktes Gen ist das
einzige, das sich in der Mitte eines langen nicht-kodierenden
Chromosomenabschnitts befindet", sagt Fabian STAUBACH aus dem
Plöner Forschungsteam. "Das hat uns die Arbeit erleichtert.
Der gleiche Abschnitt kommt auch in allen anderen uns bekannten
Säugetier-Genomen vor. Aber nur bei Mäusen existiert
dieses Gen. Durch eine Reihe von Sequenzanalysen konnten wir konkrete
Mutationen identifizieren, die nur in der Maus vorkommen und die wir
für die de novo-Entstehung des Genes verantwortlich machen. Es
ist erstaunlich, dass ein so geringer genetischer Unterschied ein
ganzes Gen definieren kann." Durch Vergleiche mit Mäusen nahe
verwandter Arten kam außerdem zutage, dass das Gen nach
seiner Entstehung bei Selektionsprozessen eine große Rolle
gespielt hat. Varianten des Gens scheinen in manchen Mausunterarten
ihren Trägern einen Vorteil zu verschaffen.
Um die genaue Funktion des Gens
heraus zu finden, wurde bei Labormäusen das Gen inaktiviert
(Knock-out). "Wir haben bei den Tieren, denen das Gen fehlte, eindeutig
kleinere Hoden und langsamere Spermien festgestellt. Dieses Gen hat
eine erkennbare Funktion bei der Fortpflanzung und bewirkt
offensichtlich einen Evolutionsvorsprung", erklären Tobias
HEINEN und Daniela HÄMING. Auch ältere Untersuchungen
weisen daraufhin, dass durch Duplikationen neu entstandene Gene oft in
den Hoden aktiv sind. Die Plöner vermuten, dass Elemente, die
prinzipiell für die Funktion von Genen notwendig sind,
überall im Genom vorkommen. Die Regeln für die
Aktivierung von Genen sind bekanntermaßen in den Zellen der
männlichen Keimbahn anders und anscheinend weniger komplex,
als in anderen Geweben. Das könnte erklären, warum
vereinzelt einige Mutationen ausreichen, um ein neues Gen entstehen zu
lassen. Solche neue Gene werden dann über die Spermien an die
nächste Generation weitervererbt und können - wenn
sie sich bewähren - im Laufe der Evolution weiter angepasst
werden und auch von anderen Geweben im Körper rekrutiert
werden.
Die Ergebnisse zeigen, dass die de
novo-Entstehung von Genen eine wichtigere Rolle in der Evolution
annehmen könnte als bisher angenommen wurde. "Bisher wurde die
Bedeutung von de-novo-Evolution
unterschätzt. Wir gehen davon
aus, dass weitaus mehr solcher Gene identifiziert werden, wenn die
Suche nach ihnen intensiviert wird. Wie hoch die Rate an de
novo-Gen-Entstehung tatsächlich ist, können wir noch
nicht abschätzen. Dieses herauszufinden wird eine Aufgabe
für die Zukunft", sagt Diethard TAUTZ, Direktor am
Plöner Max-Planck-Institut für
Evolutionsbiologie.
Etwa 25.000 Gene finden sich im
Erbgut von Säugetieren. Sie sind im Laufe von mindestens einer
Milliarde Jahren entstanden. Das Genom gibt Zeugnis von den
vielfältigen Anpassungen an sich stets verändernde
Lebensbedingungen und spiegelt so die Naturgeschichte unseres Planeten
wider. Manche Gene bestehen bereits seit Hunderten Millionen von
Jahren, ohne dass sie sich verändert haben, andere sind -
gemessen an der Evolutionsgeschichte - relativ jung.
Literatur
HEINEN, T. / STAUBACH, F. / HÄMING, D. / TAUTZ, D (2009)
Emergence
of a New Gene from an Intergenic Region. Current Biology 19, 1527-1531.
doi:10.1016/j.cub.2009.07.049
Autor:
Verband deutscher Biologen (VBio)
© AG
Evolutionsbiologie des VdBiol.
11.10.2009